Die Kino-Kritiker

Turbulente Produktionsgeschichte, harmloser Film: «Solo: A Star Wars Story»

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Viel wurde über den Rummel hinter den Kulissen von «Solo: A Star Wars Story» geschrieben und gesagt. Dieser Wirbel ist dem fertigen Film allerdings nicht anzumerken.

Alles halb so wild


Filmfacts: «Solo: A Star Wars Story»

  • Regie: Ron Howard
  • Produktion: Kathleen Kennedy, Allison Shearmur, Simon Emanuel
  • Drehbuch: Jonathan Kasdan, Lawrence Kasdan
  • Darsteller: Alden Ehrenreich, Woody Harrelson, Emilia Clarke, Donald Glover, Thandie Newton, Phoebe Waller-Bridge, Joonas Suotamo, Paul Bettany
  • Musik: John Powell; zusätzliche Themen von John Williams
  • Kamera: Bradford Young
  • Schnitt: Pietro Scalia
  • Laufzeit: 135 Minuten
  • FSK: ab 12 Jahren
Ganz gleich, was sich sonst über die Disney-Ära der «Star Wars»-Reihe sagen lässt, ein Kritikpunkt lässt sich nicht fundiert anbringen: Obwohl sowohl «Rogue One» als auch «Solo» von Produktionsproblemen geplagt waren, sind diese Stolperschwellen den Filmen nicht anzumerken. «Rogue One» wurde nach den ursprünglich angesetzten Dreharbeiten intensiv überarbeitet, und selbst wenn der Weltall-Kriegsfilm im dritten Akt enorm an Fahrt zunimmt, wirkt er so ziemlich wie aus einem Guss.

Bei «Solo» wurden die Regisseure Phil Lord und Chris Miller nach Bewältigung des Löwenanteils der Dreharbeiten von Lucasfilm-Chefin Kathleen Kennedy gefeuert (laut manchen Quellen ließ Kennedy das Duo wiederum semi-freiwillig vom Projekt weggehen). Die beiden Regisseure, die sich einen Namen mit selbstironischen Komödien wie «21 Jump Street» und «The LEGO Movie» gemacht haben, wurden alsbald durch «Rush – Alles für den Sieg»-Macher Ron Howard ersetzt. Dieser leitete nicht nur den geplanten Rest der Dreharbeiten sowie die Postproduktion, er filmte zudem zahlreiche bereits abgedrehte Szenen erneut. Die Fachpresse überschlug sich mit Horrorgeschichten, die sich hinter den Kulissen abgespielt hätten, «Solo» wurde bereits über ein halbes Jahr vor Kinostart von mehreren Portalen aufgrund der Anekdoten und Gerüchte quasi für tot erklärt.

Das heraufbeschworene Frankensteinmonster von einem Film, das angeblich zu 30 Prozent aus Lord/Miller-Material besteht und zu 70 Prozent aus Ron-Howard-Stoff, bleibt jedoch aus. Weder kommt es zu frappierenden ästhetischen Ungleichmäßigkeiten, noch zu großen tonalen Ausreißern in die eine oder andere Richtung. Zweifelsohne werden Filmfans manche Szenen zum Anlass für wilde Spekulationen nehmen. Die erste Handvoll von Szenen zwischen Han Solo und Chewbacca beinhaltet etwa ein paar ironisch-alberne und frivole Scherzlein, die Lord/Miller-Anhänger mit Blick auf frühere Werke wohl gerne dem Duo zuschreiben würden. Allerdings ist es ja auch wahrlich nicht so, als sei «Arrested Development»-Produzent Ron Howard solcher Humor fremd.

Kurzum: Wäre es Disney/Lucasfilm möglich gewesen, sämtliches Hinter-den-Kulissen-Drama unter Verschluss zu halten, würde wohl kaum jemand nach einer «Solo»-Sichtung mutmaßen, dass im Laufe der Produktion allerhand schief gelaufen sein müsste. Mit diesem Vorwissen unterdessen lässt sich am ehesten mit kritischem Blick auf einige der Actionszenen blicken. Denn manche Scharmützel in «Solo» lassen jegliches inszenatorische Flair vermissen, sind sehr 'anonym' inszeniert und fallen angesichts ihrer ästhetischen Beliebigkeit hinter einem Gros der «Star Wars»-Kampfsequenzen zurück. Da Howard aus Zeitgründen angeblich beim Reshoot größtenteils auf weite Aufnahmen verzichten musste, liegt die Theorie nahe, dass dies zum inszenatorischen Gewusel führte, das unter anderem einen Minenüberfall plagt. Aber wenn das das Ergebnis einer Chaosproduktion ist, haben Ron Howard und Lucasfilm durchaus Respekt dafür verdient, wie gut sie die Spuren des ganzen Businessdramas vertuscht haben.


Fans, einfach mal durchatmen ...


Es gilt bei weitem längst nicht für die gesamte Fangemeinde. Dennoch: «Star Wars»-Fans können ganz schön anstrengend sein. Nicht nur, weil die «Star Wars»-Fangemeinde extrem zersplittert ist und es trotzdem in allen Untergruppen laute Minderheiten gibt, die sich als die einzig wahre ansehen und dies mit Nachdruck mitteilen. Sondern auch, weil es seit der Übernahme durch den Disney-Konzern einen nicht zu verachtenden Prozentsatz an «Star Wars»-Anhängern gibt, die sich selber jeglichen Spaß an den neuen Filmen nehmen. Nun, da das Franchise unter neuer Leitung steht und zudem der alte Kanon an Comics und Romanen 'gelöscht' wurde, müssen alle neuen Veröffentlichungen bei diesen Fans eine besonders strenge Prüfung überstehen, wie sie alten «Star Wars»-Produktionen nicht aufgezwungen wird.

Ein wiederkehrendes Phänomen ist, dass auf einmal die neuen Filme, im Gegensatz zu ihren Vorgängern, exakt der eigenen, vorgefertigten Vorstellung entsprechen müssen. So kann ein Film aber nur verlieren – und erst recht ein Prequel wie «Solo». Wer sich in seiner Vorstellung einen eigenen Kanon aufgebaut hat, und erwartet, dass diese Big-Budget-Produktion magischerweise genau diese Fanvorstellung exakt trifft und idealerweise dennoch auch überraschend und aufregend ist, wird zwangsweise enttäuscht. Und das ist unabhängig davon, wer nun diesen Film verantwortet hat. Keine Produktion der Welt kann in die Köpfe sämtlicher Fans schauen und allen gleichberechtigt eine Verfilmung ihrer Theorien bieten. Auch, wenn Lucasfilm den alten Kanon achten würde, gäbe es Fans, die enttäuscht werden, da manche nicht den gesamten Kanon kennen und daher eigene Ideen hatten, und wieder andere wären betrübt, da sie sich eine Buchadaption anders vorgestellt hatten.

Wer also keine Antworten haben möchte, wie sich Han Solo und der zottelige Wookie Chewbacca kennengelernt haben, wie Solo an sein legendäres Raumschiff, den Millennium Falcon, gelangt ist, und wieso Solo und Lando Calrissian so eine komplizierte Beziehung zueinander haben, sollte von «Solo» fernbleiben. Und wer Antworten haben möchte, aber seine eigenen als die einzig wahren erachtet, sollte zum eigenen Wohl besser aufhören, sich als die einzige «Star Wars»-Autorität unter unserer Sonne zu betrachten. «Solo» wurde von Lawrence Kasdan («Star Wars – Das Imperium schlägt zurück») und seinem Sohn Jonathan verfasst – und ganz gleich, was man über die Qualität der Dialoge und die Dramaturgie des Films denkt: Wer dieses Prequel verurteilt, weil es die jungen Jahre Han Solos zeigt, hat ein grundlegendes, konzeptuelles Problem mit diesem Abenteuer und kann es daher so oder so nicht gut finden. Wieso sich das also überhaupt antun, wenn man selbst einem wichtigen Architekten der «Star Wars»-Saga und seinem Sohn verbietet, die Figur des Han Solo zu beleuchten?

Nimmt man den 'Die Vorgeschichte muss so sein, wie ich sie mir vorstelle!'-Effekt aus der Gleichung, ist «Solo» jedenfalls eine respektvolle, stimmige Vorgeschichte. Ja, sie entmystifiziert Han Solo ein Stück weit. Zwangsweise. Jede Figur, über die wenig bekannt ist, verliert an Mythos, wenn sie zum Protagonisten eines eigenen Films wird. Doch während George Lucas in «Star Wars – Die dunkle Bedrohung» etwas so grundlegendes aus der «Star Wars»-Mythologie wie die Macht an sich entzauberte, wagen sich die Kasdans in «Solo» an keine derart elementaren Aspekte des Franchises heran. Zumeist gehen sie einen schlüssigen, aber leicht neben der offensichtlichsten Antwort liegenden Weg. Am ehesten nähern sie sich im Prolog dieses Abenteuers einem Sakrileg. Stichwort: 'Namensfindung' … Da müssen strenge Fans durch. Vorgeschichten füllen nun einmal Stellen, die bis dahin leer waren.

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